Kirche mal anders. Keine große Hallenkirche mit langen Kirchenschiffen und viel BlingBling. Nein, klein, aber fein, scheint das Konzept des Citypfarrers Heiko Kuschel in Schweinfurt zu lauten. Mit seiner Miniatur-Wagenkirche auf vier Rädern zieht er seit längerem schon durch die Innenstadt Schweinfurts.
Mehr als nur ein Marketing-Gag
Das seine kleine Kirche für großes Aufsehen sorgt, ist dem Citypfarrer Heiko Kuschel natürlich bewusst. Trotzdem ist seine Initiative viel mehr als nur ein schlauer Marketingeinfall. Das klare Ziel ist es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Das funktioniert mit dem auffälligen Hingucker wunderbar und manchmal entwickeln sich sogar seelsorgerische Konversationen.

Die Wagenkirche. Foto: Domradio/ Heiko Kuschel.
Die Kirche nicht im Dorf lassen
Heiko Kuschel und sein Kollege Ullrich Göbel arbeiten nach dem Motto: „Wenn die Leute nicht mehr zur Kirche kommen, kommt die Kirche halt zu ihnen.“ Für die beiden sind alle Christinnen und Christen „Kirche“ und somit begebe man sich einfach mitten hinein. Entgegengesetzt der Meinungen vieler Passanten, von denen sie sich Sprüche anhören müssen, wie „Lasst doch die Kirche im Dorf!“, machen sie eben genau dies nicht. Sie möchten nicht warten, bis die Leute zu ihnen kommen und gehen deshalb dorthin, wo die Menschen sind. In die Stadt.
Mobiler Kummerkasten
Aber es gibt in der Stadt auch ganz viele unterschiedliche Reaktionen auf ihre fahrende Kirche. Viele grinsen, wenn sie uns sehen, sagt Heiko Kuschel. Manche würden auch ganz betreten wegschauen, weil sie diese Erscheinung nicht einordnen können. Und wiederum sprechen manche sie mit ihren jeweiligen Anliegen an. Mobile Beschwerdestelle, Kummerkasten, Erste-Hilfe-Station oder auch einfach nur endlich mal jemand, mit dem man reden kann. Das alles vereint ihre Präsenz in der Innenstadt und trotzdem ist es für die beiden irgendwie doch immer wieder anders und spannend.
Mini-Predigt in der Fußgängerzone
An mehreren Stellen in der Fußgängerzone machen die beiden Cityseelsorger Halt und sprechen einen kleinen Dialog, der sich meist auf aktuelle Ereignisse bezieht. Eine Art „Mini-Predigt“ mit vielleicht zwei Minuten Länge, wie Heiko Kuschel erzählt. Manchmal würden die Menschen zuhören, manchmal wissen die beiden das auch gar nicht so genau. Das ist aber auch gar nicht schlimm, denn diese Dialoge werden auch aufgenommen und auf www.wagenkirche.de online gestellt. Verpasst man also die beiden mal bei einer ihrer Predigten, kann man sie sich trotzdem noch einmal anhören. Das würde auch auf Zuspruch stoßen, wie die Klicks zeigen.

Unterwegs in der Fußgängerzone. Foto: Domradio/Heiko Kuschel.
Keine „Schnaps-Idee“, aber eine „Bier-Idee“
Für so eine kreative Idee braucht es übrigens nicht mehr als drei Kölsch. Sein katholischer Kollege Günter Schmitt saß zusammen mit Heiko Kuschel nach einer Tagung von Citykirchenprojekten in Köln gemeinsam auf ein paar kühle Bier in der Kölner Altstadt. Und nach ein paar Gläsern entstand die Idee, mit einer Kirche in die Stadt zu fahren. Günter Schmitt hatte gute Beziehungen zur GbF (Gesellschaft für berufliche Förderung), die die Kirche mit großer Begeisterung für die beiden baute. Seit Mai 2011 sind sie nun fast jeden Freitag damit unterwegs.
Nicht alleine mit ihrem Cityprojekt
Heiko Kuschel und Ullrich Göbel sind nicht alleine mit ihrem Projekt. Citykirchenprojekte – bei den Katholiken nennt es sich meist Citypastoral – gibt es in vielen größeren Städten. Der Verband, das Netzwerk Citykirchenprojekte (www.citykirchenprojekte.org), hat im Augenblick 117 Mitgliedseinrichtungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Seit einigen Jahren ist Kuschel Mitglied im Vorstand dieses Netzwerks, daher ist Schweinfurt derzeit sogar der offizielle Sitz des Netzwerks Citykirchenprojekte.
Unterschied zu anderen Projekten
Der große Unterschied zu den anderen Cityprojekten liegt in der Mobilität. Die meisten dieser Projekte haben – anders als in Schweinfurt – einen festen Ort: Ein Kirchencafé, eine kleine christliche Buchhandlung, in der man auch zu einem Gespräch bei einem Kaffee kommen kann oder ähnliches. Manche sind auch richtig groß, etwa das Domforum am Kölner Dom oder das Maxhaus in Düsseldorf.
Auch in Schweinfurt war so etwas Festes laut Heiko Kuschel in der Stadtgalerie geplant. Daraus wurde dann aus verschiedenen Gründen nichts. Darüber seien Ullrich Göbel und er gar nicht traurig, weil sie dadurch viel mehr Zeit für besondere Projekte hätten, anstatt sich um die Öffnung eines „Ladens“ kümmern zu müssen.
Citypfarrer ist nicht gleich Pfarrer
Ein Citypfarrer ist, wie der Name schon andeutet, nicht das Gleiche, wie ein herkömmlicher Pfarrer. Keine Taufen, Trauungen, Beerdigungen, Konfirmandenunterricht, Sonntagsgottesdienst. Heiko Kuschel sieht seine Aufgabe besonders bei den Menschen, die „nicht viel mit Kirche am Hut haben“. Gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen zieht er nicht nur die Wagenkirche in die Stadt, sondern macht auch sonst ungewöhnliche Angebote: Den Gottesdienst am Volksfest, das Weihnachtsliedersingen im Stadion. Literarisch-musikalische Kirchenführungen im Dunkeln („Klänge in der Nacht“) und ungewöhnliche Gottesdienstformen wie den MehrWegGottesdienst (www.mehrweggottesdienst.de).
Pfarrer goes Social-Media
Neben seinem großen Spektrum an Aufgaben als Citypfarrer ist Heiko Kuschel zudem ein echter Social-Media Pfarrer. Er bloggt auf www.evangelisch.de (im Blog Stilvoll Glauben), betreut die eigene Website www.citykirche-schweinfurt.de und ist auf Facebook, Twitter, GooglePlus und Diaspora unterwegs.
Eine Idee für Ansbach?
Eine „mobile Kirche“, wie die in Schweinfurt, gibt es unseres Wissens nach in Ansbach noch nicht, auch keine Stelle des Netzwerkes Citykirchenprojekte. Die nächste ist laut Karte auf der Webseite das Innenstadtpfarramt St. Lorenz in Nürnberg. Was haltet Ihr von dieser Idee? Wäre das auch eine Idee für Ansbach, um Menschen, die mit der Kirche nicht viel am Hut haben, diese näherzubringen?