Ein Gastbeitrag
100% würzburgerisch-türkisch
Ich lebe seit genau 24 Jahren und 7 Monaten in Würzburg. Das heißt, ich bin hier geboren, habe hier Kindergarten, Grundschule und das Gymnasium besucht. Derzeit studiere ich noch an der Uni Würzburg – und… ich bin Türkin, unterfränkische Türkin, eigentlich eher eine 100%-würzburgerische Türkin. Aber eben eine Türkin. Was das bedeutet? Dass ich mir, seit dem ich denken kann, immer wieder die gleichen Fragen und Sätze anhören muss, vor allem dann, wenn ich neue Leute kennenlerne. Der ein oder andere mag das jetzt vielleicht falsch verstehen – ich finde das absolut nicht schlimm, sondern eher ziemlich unterhaltend. Und ich denke, eigentlich bin ich mir sogar ziemlich sicher, den meisten Türken hier geht es ganz bestimmt genauso!
„Du sprichst ja voll gut Deutsch“
Ich weiß nicht genau weshalb, aber jedesmal, wenn ich mit neuen Menschen ins Gespräch komme, sind sie erstaunt über meine Deutschkenntnisse. „Ja, ich spreche voll gut Deutsch, weil ich hier auf die Welt gekommen bin und dieses Land seit dem auch nicht mehr verlassen habe“. Ehrlich gesagt freut es mich natürlich, dass mein Deutsch gelobt wird – aber sind wir doch mal ehrlich: Wäre es nicht super schade, könnte ich nicht „voll gut“ Deutsch, obwohl ich hier geboren und aufgewachsen bin?!
„Warum trägst du eigentlich kein Kopftuch?“
Erstaunt sind die Leute aber nicht nur über meine Sprachkenntnisse, sondern auch über die Tatsache, dass ich kein Kopftuch trage. Vielleicht liegt es daran, dass ich modern eingestellt bin? Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, dass ich es nicht anders kenne? Es ist dann auf jeden Fall gar nicht so einfach, ihnen klarzumachen, dass ich einfach kein Kopftuch mag und trotzdem gläubig bin.
„Welche der Dönerbuden hier gehört deinem Vater?“
Okay, diese Frage hat natürlich meist einen ironischen Beigeschmack. Trotzdem darf ich mir das nicht zu selten anhören. Einer meiner Freunde hat mir sogar mal eine zeitlang den Spitznamen „Döner“ verpasst (kein Scherz). Das liegt sicher daran, dass Döner eines der bekanntesten türkischen Gerichte ist. Aber (auch zu meinem Bedauern) essen wir Türken leider nicht jeden Tag und zu jeder Mahlzeit diese typische Spezialität – und meine Eltern haben auch keine Dönerbude!
„Waaas? Man darf an Ramadan auch kein Wasser trinken?“
Ramadan ist, was die Sprüche angeht, irgendwie die anstrengendste Zeit. Zu dieser Zeit regnet es Kritik aus allen Ecken. „Also essen geht ja noch, aber trinken?! Ohne was zu trinken, würde ich umkippen. Das ist doch total ungesund!“ – Jedes Jahr auf’s neue darf ich mir solche oder ähnliche Sätze von gefühlt 100 Personen anhören.
„Entscheidet dein Vater, wen du heiratest?“
Nein, das tut er nicht! Ich entscheide, mit wem ich zusammen bin oder wen ich heirate, ob er Türke, Deutscher oder Italiener ist, ob ich mit 24 oder 38 heirate und ob ich überhaupt heirate. Aber das verstehen die meisten einfach nicht oder finden es cool, dass meine Familie so drauf ist – und ich finde es fast schon traurig, dass man diese Normalität und gewöhnliche Freiheit als cool ansieht, nur weil wir Türken sind.